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Cockpit

Irgendwann bin ich auf die Idee gekommen, ich möchte bei Start und Landung einer Linienmaschine im Cockpit sitzen. Ich weiß nicht, wie ich auf diese Idee gekommen bin, wahrscheinlich war es bei irgendeinem Film, wo man den Landeanflug aus Blickwinkel des Cockpits gesehen hat, vielleicht ist mir diese Idee auch so aus dem Nichts gekommen. Jedenfalls wollte ich sie umsetzen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich in näherer Zukunft vier Flüge jeweils hin und zurück mit vier unterschiedlichen Fluglinien in Aussicht. Als jemand, der es gewohnt ist, das Internet im täglichen Leben zu verwenden, suchte ich mir über die WWW-Seiten aller vier Fluggesellschaften die entsprechenden E-Mail-Adressen für allgemeine Anfragen heraus, und schickte einfach eine Mail mit einer ganz einfachen Frage. Ist es möglich, für einen normalsterblichen Passagier eines Linienfluges mit ihrer Gesellschaft bei Start und Landung im Cockpit zu sitzen.

Drei dieser vier Fluglinien antworteten relativ rasch und ziemlich einhellig. Man möge beim Einsteigen über eine Stewardeß den Kapitän fragen lassen. Wenn er einverstanden ist, dann geht es. Ich soll aber nicht enttäuscht sein, wenn ich Ablehnung bekomme, weil oft der zusätzliche Sitz im Cockpit für Piloten-Fortbildung oder Routinetests und ähnliches gebraucht würde. Eine Fluglinie bat mich sogar um die Flugdaten meiner nächsten Flüge, stellte aber leider fest, daß bei diesen Flügen das Cockpit voll sein würde.

So weit, so gut. Ich begann also einfach beim Einsteigen bei jedem Flug nachfragen zu lassen, ob ich bei Start und Landung im Cockpit sitzen dürfte. Die Reaktionen der gefragten Stewardessen waren amüsant. „Kennen sie den Kapitän?“ oder „Sind sie von der Fluglinie?“, wurde ich gefragt. Ich reagierte eher Überrascht, und fragte, ob das Voraussetzung sei. Manchmal erzählte ich auch von meiner Anfrage bei der Fluglinie, und deren Antwort.

Über den Zeitraum, in dem ich versucht habe, bei Start und Landung im Cockpit zu sitzen, ist es mir durchschnittlich jedes zweite Mal gelungen. Ich kann es nur jedem etwas flugbegeisterten empfehlen, es ist ein Erlebnis.

Das erste Mal saß ich bei einem Flug von Innsbruck nach Wien in einer zweimotorigen Propeller- Maschine so etwa vom Typ Focker 50 bei Start und Landung im Cockpit. Ich saß auf diesem Extraklappsessel direkt mit der Cockpittür als Lehne. Der Kapitän war zwar etwas überrascht bezüglich meiner Idee, und wollte wissen, wie ich darauf gekommen bin, und was ich so mache, schien aber danach Freude daran zu haben, mir möglichst viel zu erklären.

Für mich war zum Beispiel sehr interessant, wie es für jede Phase schon während der Startvorbereitungen, aber auch dann im Flug und bei der Landung immer wieder Checklisten gab, die einfach Schritt für Schritt durchgegangen wurden. So konnte wirklich nichts vergessen werden. Der eine, ich glaube der Pilot las die Fragen vor, und der Kapitän beantwortete sie, oder war es umgekehrt, egal, inhaltlich habe ich sie sowieso nicht verstanden.

Ich konnte auch den Funk mithören, und damit mitverfolgen, welche Anweisungen die Maschine so bekam. Besonders spannend war für mich während der Startphase, wie mir der Kapitän erzählte, daß wir zwar schon funkmäßig von der Luftraumüberwachung Austrocontrol in Wien dirigiert würden, aber derzeit auf keinem Radarschirm aufschienen, wegen der Berge. Wenn in der Phase wohl etwas passiert, ... Passierte aber nichts. Als wir Reiseflughöhe erreichten, verließ ich das Cockpit, um gemütlich das Flugzeugessen zu genießen, so weit man so etwas halt genießen kann, und etwas Zeitung zu lesen.

Rechtzeitig vor dem Landeanflug ließ mich der Kapitän wieder holen, und bot mir wieder den Sitzplatz im Cockpit an. Es muß wohl der Nachmittagsflug von Innsbruck nach Wien gewesen sein, weil ich kann mich genau erinnern, daß es hell war. Normalerweise bevorzuge ich es, wenn die Maschinen, mit denen ich Wien anfliege, direkt hinuntergehen, und freue mich nicht sehr, wenn sie auf die Neusiedlerseerunde geschickt werden. Diesmal hatte das aber einen Vorteil. Bei hervorragend schönem Wetter, wolkenlosem Himmel und Sonne konnte ich das östliche Niederösterreich und nördliche Burgenland aus der Luft, und zwar mit dem Rundblick eines Cockpits betrachten. Phantastisch, die Perspektive.

Langsam schwenkten wir dann Richtung Flughafen, und der Pilot schimpfte einmal kurz auf den Tower vom Flughafen Wien, weil sie ihn nicht wirklich über die optimale Strecke hineingelozt haben. Man muß sich vorstellen, daß die Route der Maschine nicht vom Piloten oder Kapitän, sondern vom jeweiligen Luftraumüberwacher definiten wird. Die Herren im Cockpit dürfen nur brav dem Nachfliegen, was ihnen vorgegeben wird - zumindest in Europa.

Der Kapitän erklärte mir dann noch die Lichter am Anfang der Landebahn. Sie gaben nämlich abgesehen vom Leitstrahlinstrument im Cockpit nochmals unabhängig an, ob man zu niedrig, zu hoch oder richtig die Landebahn anflog. Wir flogen absichtlich zu hoch an, weil die Landebahn für so kleine Maschinen viel zu lang war, und der Pilot nicht so weit rollen wollte.

In Wien an der Parkposition angekommen bedankte ich mich vielmals, verabschiedete mich, wünschte noch viele gute Flüge, und was sonst noch alles, ich war einfach begeistert.

Irgendwie gelang es mir, langsam zu steigern, und immer bei größeren Maschinen im Cockpit zu sitzen. Der Flug mit einem kleineren Jet war aus Sicht des Cockpits nicht viel anders, als von Innsbruck nach Wien, der wirklich nächste größere Unterschied war eine Maschine der Klasse Boing 737, oder so, wo ich bei einem Flug von Wien nach München die Gelegenheit hatte bei Start und Landung im Cockpit zu sitzen.

Der Start war nicht wirklich weiter aufregend, der Flug selbst auch nicht, insbesondere als ich mich innerlich auf eine bedeutend weitere Reise eingestellt hatte, weil ich im Endeffekt bis nach Berkeley bei San Francisco reiste, aber die Landung hatte schon einen besonderen Reiz. Der neue Flughafen München, so scheuslich er für Passagiere im Passagierbereich des Flughafens ist - da hat er den Charm eines Baukontainers - ist aus der Luft gesehen das Ideal eines Flughafens. Kein Wunder, er wurde ja auch erst vor relativ kurzem nach neuersten Erkenntnissen frisch in den grünen Sumpf hineingebaut.

Der bisherige Höhepunkt meiner Versuche, bei Start und Landung eines Linienfluges im Cockpìt zu setzen war der Flug von München nach San Francisco in einer Boing 747, in einer dieser zweistöckigen Riesenmaschinen. Das war Übrigens der Anschlußflug des oben erwähnten Fluges Wien – München.

Der Steward, den ich fragen ließ, war natürlich wiederum sehr Überrascht, fragte allerdings, und ich bekam das OK. Am Weg ins Cockpit war ich erstmals in meinem Leben im oberen Stock einer 747, der zumindest bei der Lufthansa, mit der ich hier geflogen bin, als erste Klasse ausgeführt ist. Das ist wirklich luxuriös.

Bei Flügen von mehr als sechs Stunden, oder waren es acht, jedenfalls bei Flügen von München nach San Francisco müssen sich die Piloten ablösen, so lange darf keiner durchgehend am Steuer sitzen. Immerhin dauert der Flug um die 11 Stunden. Allso saßen drei Piloten, genaugenommen ein Kapitän und zwei Piloten im Cockpit, und ich auf dem Reservesessel. Der dritte hatte aber eigentlich überhaupt nichts zu tun, und erklärte mir diverses, beziehungsweise beantwortete meine Fragen. Hier durfte ich auch den Funk mithören.

Im Vergleich zum Cockpit meines ersten Fluges von Innsbruck nach Wien, das wirklich eng war, konnte man in diesem Tischtennis spielen. Das mag zwar etwas übertrieben sein, aber es ist wirklich deutlich größer, hat aber auch bedeutend mehr Instrumente. Und man saß hoch. Alle anderen Maschinen sind ein Stück niedriger.

In München war der Weg zur Startbahn, und auch die weitere Phase bis zur Reiseflughöhe, die ich im Cockpit miterleben konnte, ähnlich, wie ich es bereits von den anderen Flügen gewohnt war. Jede Richtungsänderung, jede Höhenänderung, alles war von der Luftraumüberwachung vorgegeben. Ich hörte es genau im Funk.

Wie ich die Zeit während des Fluges, als ich nicht im Cockpit war, sondern in meinem engen Sitz überlebte, weiß ich nicht, ich bin noch bei keinem Transatlantik-Flug in etwas anderem gesessen, als Holz-Klasse. Und lange Flüge sind sowieso ein Problem (siehe dazu die diversen Kapitel über USA-Flüge). Aber kurz vor der Landung wurde ich wieder ins Cockpit geholt. Der Kapitän hatte mich nicht vergessen.

Das hatte übrigens noch einen anderen angenehmen Seiteneffekt. Ich saß natürlich relativ weit hinten, nahm aber mein Handgepäck gleich mit, und ließ es im Handgepäcksbereich der ersten Klasse fallen. So war ich in der Folge auch bedeutend schneller aus dem Flugzeug wieder draußen. Immerhin ließ man die Fluggäste von der ersten Klasse zuerst ausstiegen - und da schloß ich mich gleich an.

Wieder im Cockpit durfte ich wieder Funk mithören, und da war plötzlich alles etwas anderes. So mußte der Pilot zum Beispiel bei der Identifikation, also der Flugnummer auch die Gewichtsklasse dazusagen. Bei der 747 war das „heavy“, und aus „LH l81“ wurde im Funk „LH l81 heavy“. Das hat den Grund, daß die Luftraumüberwacher, und auch alle andere, die den Funk mithören, das sind zum Beispiel alle anderen Flugzeuge im selben Bereich, wissen, wie groß das Flugzeug ist, und daher auch wissen, wie stark die Turbulenzen sind. Eine kleine Maschine hätte hinter einem derartigen Jumbo ordentliche Schwierigkeiten.

Das war aber nicht die einzige Vereinfachung im US-amerikanischen Luftraum. Wenn in Europa jede Drehung, oder Höhen- beziehungsweise Geschwìndigkeitsänderung vorgegeben wurde, hörte ich beim Anflug auf San Francisco im Kopfhörer eine Meldung der Art: „Vor Euch fliegt die sowieso (Flugnummer), ihr werdet ihr etwas zu nah kommen, aber fliegts ihr einfach nach.“ Das sind wirklich präzise Anweisungen.

Der dritte Pilot erklärte mir, das gleich die automatische Antikollisionswarnung anschlagen würde, weil wir zu nah an das andere Flugzeug kämen, „aber das wissen wir eh“. Und schon hörte man eine Computerstimme, die aber keinen, auch mich nicht nervös machte. Und wir flogen wirklich dem anderen Flugzeug einfach Richtung Landebahn nach. Als wir so zur Landebahn eingeschwenkt waren, sah ich zwei Flugzeuge vor uns, eines direkt auf der Landebahn, eines kurz davor, und wir waren dahinter, wie in einer Schlange vorder Supermarktkasse.

Nach dem Ausrollen bekamen wir Anweisung für unser Gate, und den Weg dorthin. Allerdings mußten wir bei einer Kreuzung stehen bleiben, obwohl weit und breit kein weiteres Flugzeug zu sehen war. Als es dem Piloten reichte, meinte er „LH 18l heavy ,standing by“, was soviel bedeutete wie, „wir warten immer noch“, und der Tower meinte einfach „who's standing by“, als hätten sie uns vergessen.

Im Stil der vorherigen Meldung, wir sollten einfach einer anderen Maschine nachfliegen, ging es auch am Boden weiter. Am Weg zum Gate hatten wir zweimal die Meldung „Wenn die Maschine sowieso an Euch vorbei ist, dürft ihr fahren“. Eigentlich sinnvoll, diese Art.

Maschinen der Größe einer 747 können in San Francisco nicht wirklich bis, zum Schlauch aus eigener Kraft fahren, sondern müssen um die Kurve zum Flughafengebäude gezogen werden. Schon vorher schließt ein Techniker seinen Kopfhörer und Mikro an der Maschine an, um mit dem Piloten zu kommunizieren. Seiner Aussage nach war unsere Maschine von außen in gutem Zustand. Als wir dann so langsam zum Flughafen hingezogen wurden, war es aber nochmals spannend. Aus dem Cockpit sah man so etwa auf Höhe zwischen erstem und zweiten Stock auf das Flughafengebäude. Die Maschine war wirklich hoch.

Der Rest dieser Reise war nicht wirklich aufregend. Eine interessante Kleinigkeit war noch, daß ich trotz Schengen für den Flug von München nach Wien mit einer Lauda-Air-Maschine meinen Paß herzeigen mußte. Sie kam nämlich aus Miami, und es sind nicht alle Fluggäste ausgestiegen. Somit schien die Maschine wohl noch irgendwie als außer der EU zu gelten.

Nach dem Erlebnis, bei einem Flug von München nach San Francisco bei Start und Landung im Cockpit gesessen zu sein, habe ich nicht mehr darum gebeten. Dazu kann es fast keine Steigerung geben, zumindest fällt mir im Moment nur eine ein, und die werde ich mir nicht so bald leisten können: In der Concorde bei Start und Landung im Cockpit sitzen.

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23.08.2008 19:27