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Peter Schneider

Es ist mal wieder viel zu früh. Peter Schneider steht verschlafen in der gesteckt vollen U-Bahn. Man sah ihm an, dass er eine lange Nacht hinter sich hatte. Er muss es nochmals versuchen, ob ihm sein Chef erlaubt, im Büro zu übernachten, wenn es besonders lang dauerte

Dabei hatte er letzte Nacht noch immer nicht herausgefunden, was bei der Firma, die er untersuchte nicht passte. Er hatte nur das Gefühl, dass irgendetwas hier nicht stimmte. Sogar die letzte U-Bahn nach Hause hat er verpasst, und musste mit dem Nachtbus fahren, der besonders lang braucht. Das Taxi für den Heimweg wollte und konnte er sich nur in Sonderfällen leisten, nicht aber zweimal die Woche, wenn er so lange im Büro blieb.

Peter Schneider war ausgebildeter Buchhalter, und hatte mit seinem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn mit der Zeit Probleme, die Zahlen so hinzubiegen, wie es gerade noch legal war, aber doch in die für seinen damaligen Arbeitgeber geeignet gebogen. Als eines Tages die Biegung seiner Meinung nach doch zu sehr Richtung illegal zeigte, beschloss Peter Schneider auf die andere Seite zu wechseln. Er ging zur Wirtschaftspolizei.

Mit der Grundausbildung der Polizei hatte er gröbere Probleme. Er war eher schmächtig, und keineswegs sportlich. Irgendwie schummelte er sich da immer am unteren Limit durch. Aber am schlimmsten war für ihn der Umgang mit der Waffe. Er hatte eine innerliche Abscheu, eine Pistole, oder noch besser ein automatisches Gewehr, wie es die Polizei verwendet, zu verwenden. Sobald er diese Abscheu aber für wenige Minuten überwand, lieferte er hervorragende Ergebnisse auf dem Schießstand. Er versuchte jedenfalls alles was knallt zu vermeiden, sogar Sektkorken.

Nach dem Ende seiner Grundausbildung wurde Peter Schneider zur Wirtschaftspolizei versetzt, wo sich an seinem Schreibtisch im Innendienst und in Zivilkleidung richtig wohl fühlte. Seine Arbeit bestand darin, die Bücher diverser, in irgendeiner Form suspekt erscheinender Firmen zu analysieren. Seine Zeit in der Praxis - von seinem früheren Chef hat er wirklich alle Tricks gezeigt bekommen - half ihm dabei sehr. Und seine Begabung. Die Zahlen, die er in diesen Büchern sah, bildeten für ihn innerhalb kürzester Zeit ein Muster von Zusammenhängen, und in diesem Muster erkannte er normalerweise sehr schnell, wo der Fehler war.

Und das ohne Computer, oder genau gesagt, fast ohne Computer. Der Computer war für Schneider ein Werkzeug, das er in den meisten Fällen nicht einmal zur Analyse der Daten verwendete, die er untersuchen sollte. Er verwendete den Computer praktisch nur als Anzeige- und Suchgerät. Außerdem machte er manchmal Recherchen über die Firmen, die er untersuchte über das Internet. Innerhalb der Abteilung wurden diese Firmen allgemein „Unsere Opfer“ genannt.

Trotzdem war Peter Schneider genau genommen ein Hacker im ursprünglichsten Sinn dieser Bezeichnung. Er war wirklich gut, in dem was er tat, und er tat etwas mit ausgesprochener Passion, was gut für die Menschheit war. Außerdem liebte er es, ungewöhnliche Wege zu seinem Ziel zu beschreiten. Diese Einstellung würde ihm in Zukunft noch sehr helfen.

Der Fall, an dem er in der vergangenen Nacht so lange gegrübelt hatte, war eine Österreichische Niederlassung einer internationalen Firma, man konnte sie schon fast einen internationalen Konzern nennen, die schon seit etwa sechs Jahren im Verdacht stand, im Bereich der organisierten Kriminalität Geld zu waschen. Schon mehrere seiner Kollegen hatten sich daran die Zähne ausgebissen und wieder aufgegeben. Das wollte Peter Schneider nicht.

Immerhin hatte er aufgrund eines richterlichen Befehls Zugang zu den Kontobewegungen dieser Firma, zu den zugehörigen Sozialversicherungsdaten und allen Information, die das Finanzamt und auch andere staatliche Stellen hatten, denen Abgaben abzuführen sind.

Das Muster, dass die Zahlen dieser Firma in seinem Kopf entstehen ließen, gefiel Peter Schneider überhaupt nicht. Es passte irgendwie nicht, es hatte zu viele ungeklärte Ecken und Kanten, und sein Gefühl sagte ihm, dass er den langjährigen Verdacht vielleicht endlich bestätigen werde können.

Endlich in seinem Büro setzte er sich sofort an seinen Schreibtisch, nachdem er sich einen Kaffee geholt hatte. Es war kaum jemandem aufgefallen, dass er eigentlich mehr als eine Stunde nach Dienstbeginn gekommen war. Aber alle wussten auch, dass der Chef das akzeptierte, weil er auch viel mehr als eine Stunde nach Dienstbeginn wieder erst gehen würde. Da er allein lebte, hatte er auch niemand, der zu Hause auf ihn warten würde.

Wahrscheinlich zum hundertsten Mal analysierte er die Kontobewegungen seines Opfers. Er hatte soeben die neuesten Überweisungen bekommen. Eher zufällig fiel seine Aufmerksamkeit auf einen Empfänger einer Gehaltszahlung, aber der eigene Namen sticht jedem ins Auge. Offensichtlich hatte die Firma einen neuen Mitarbeiter namens Peter Schneider, den sich der Wirtschaftspolizist eher routinemäßig genauer anschaute.

Da war was faul. Der Mitarbeiter der überprüften Firma namens Peter Schneider hatte sein Gehaltskonto in Deutschland. Nun, bei einem neuen Mitarbeiter einer internationalen Firma, der vielleicht erst nach Österreich gezogen sein mag, könnte das noch stimmen, aber für einen Peter Schneider der untersuchten Firma gab es keinerlei Daten bei der Sozialversicherung. Und das konnte doch nicht wirklich sein. Hier musste weiter nachgebohrt werden.

Allein in Wien gab es aber schon über 30 Peter Schneiders im Telefonbuch. Das wusste er, weil er vor kurzem nachgezählt hatte, als er seinen eigenen Eintrag kontrollierte. Die konnte er nicht alle überprüfen. Außerdem würde er einen neulich erst nach Österreich übersiedelten Mitarbeiter, und das könnte wohl hier der Fall sein, noch nicht im Telefonbuch oder bei den Telefongesellschaften finden. Er musste etwas anderes probieren.

Und das einfachste liegt doch so nah. Er rief einfach in der Telefonvermittlung seines Opfers an, und wollte sich zu Peter Schneider, der ja immerhin von dieser Firma ein Gehalt erhielt, weiterverbinden lassen. Doch die Telefonvermittlung kannte keinen Peter Schneider. Der Polizist meinte noch, dass es sich um einen sehr neuen Mitarbeiter handeln könnte, aber auch auf den Listen der Neueinstiege, die die Telefonvermittlung jedes Monat erhielt, war kein Peter Schneider zu finden. Und auch bei den Außendienstmitarbeitern gab es keinen Peter Schneider. Der Wirtschaftspolizist Peter Schneider hat hier offensichtlich einen Volltreffer gelandet.

Jetzt schlug seine Passion voll zu. Wenn Geld irgendwohin fließt, dann muss dort damit irgendetwas passieren. Niemand transferiert Geld auf ein Konto, um es bis in alle Ewigkeit dort liegen zu lassen. Doch dieses Konto war in Deutschland, und auch wenn in Deutschland das Bankgeheimnis relativ schwach ist, so leicht würde er an ein ausländisches Konto nicht kommen. Da konnte ihm kein inländischer Richter helfen.

Aber es gab auch noch andere Wege. Peter Schneider hat vor kurzem einen internationalen Kongress von Wirtschaftspolizisten zum Thema Organisierte Kriminalität besucht, und da hat er sich doch mit diesem Deutschen Kollegen etwas angefreundet. Vielleicht konnte der ihm weiterhelfen. Immerhin waren sie beide aus dem selben Holz geschnitzt, und sollten doch am selben Strang ziehen.

Eigentlich musste der Chef zu Kontakte zu ausländischen Kollegen zustimmen. Doch es war schon deutlich nach Dienstschluss, und über das Wochenende wollte Schneider nicht warten. Er hatte noch die Visitkarte von dem besagten Kollegen und rief einfach an.

Der Deutsche Kollege hatte auch schon nach Dienstschluss und war eigentlich auch nur mehr im Büro, weil ihn sein Fall nicht los ließ. Peter Schneider schilderte kurz, worum es ging, und gab seinem Kollegen die Bankverbindung und den Namen durch, über die er genauer Bescheid wissen wollte. Auch wenn es nicht so ganz Astrein war, der freundliche Deutsche würde versuchen herauszufinden, was nur ginge, und sich sobald er etwas hatte bei Peter Schneider melden.

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23.08.2008 19:27